Dent Blanche – 4357m – mit Wandfluegrat
- Dent Blanche – 4357m – mit Wandfluegrat
Wenn man von den umliegenden Bergen ins Wallis schaut, dann fallen immer die gleichen großen Berge auf: Mischabel, Weißhorn, Monte Rosa, Matterhorn und Dent Blanche. Jeder hat seine charakteristische Form. Den Dent Blanche kann man wohl am besten beschreiben als ein dunkler „Drumm-Felsberg“: Nicht so weiß wie Mischabel und Monte Rosa, nicht so elegant wie Weißhorn und Matter¬horn, aber was für eine Masse von Berg – dunkel und felsig.
Der Dent Blanche gehört zu den klassischen Walliser Bergsteiger-Bergen im AD-Format und liegt damit auf dem Schwierigkeitsniveau von Matterhorn und Weißhorn. Ein Berg der erklettert werden muss, bei dem einem aber ein Gletscherhatscher und nächtliches Moränengestolper erspart bleiben.
Die allgemein bekannten Routen sind die vier Grate Wandflue-, Ferpècle-, Vieresels- und Nordgrat. Während der Wandfluegrat (AD) der Normalweg ist, zählen der Ferpècle- und Viereselsgrat bereits zu den großen Walliser Graten schärferer Richtung (D bis D+). Der Nordgrat wird sehr selten gemacht und gehört zu den wirklich schweren (D+ bis TD-) Graten an Viertausendern. Von den Wänden hat nur die Nordwand (TD) Bekanntheit. Sie wird heute aufgrund der Ausaperung kaum mehr gemacht – das untere Eisschild fließt im Sommer regelmäßig in die Rhone und plätschert dann im Mittelmeer.
Bekannt ist der Dent Blanche aufgrund einer vermuteten Namensverwechslung mit dem Dent d’Hérens durch einen Mönch bei der ersten Kartierung der Gegend: Während der Dent Blanche meist gar nicht so blanche ist, aber der dominierende Berg des Val d’Hérens ist, kann man den meist sehr weißen Dent d’Hérens aus dem Val d’Hérens fast gar nicht sehen. Eine weitere Namensgeschichtete rankt sich um den Viereselsgrat. Dieser soll seinen Namen daher haben, dass bei der Erstbesteigung einer der Erstersteiger gesagt haben soll, was sie - die vier Erstersteiger - für vier Esel seien, über diesen Grat aufzusteigen.
Ausgangspunkt für den Wandfluegrat ist die kleine, sehr hoch- und in Gletschern gelegene Dent Blanche Hütte (3507 m). Sie ist im Sommer selten überlaufen, da Modetouren hier nicht vorhanden sind. Als weitere Touren neben dem Wandfluegrat werden von hier noch der Ferpècle-Grat (D+) und die leichten Gletscherberge Tête Blanche (3710 m) sowie Tête de Valpelline (3802 m) angegangen. Aufgrund der hohen Lage der Hütte beträgt der Höhenunterschied am Gipfeltag nur rund 850 Höhenmeter. Allerdings ist der Hüttenzustieg nicht ohne: Rund 1800 Höhenmeter und Einiges an Strecke – der Zeitbedarf hierfür wird meist mit 6 Stunden angegeben. Vor dem Bau der Dent Blanche-Hütte ging man den Wandfluegrat von Zermatt über die Schönbielhütte (2694 m) an. Aufgrund des erheblichen Höhenunterschieds am Gipfeltag (rund 1700 Höhenmeter) sowie der nächtlichen unangenehm brüchigen Kletterei an der Wandflue, wird dieser Anstieg nur noch selten gemacht.
So haben auch wir den Anstieg aus dem Val d’Hérens gewählt. Hierzu fährt man von Sion durch das gesamte Val d’Hérens, biegt bei Les Hauderes in das linke Tal ab, um auf immer schmäler werdender Straße endlich in Ferpècle den Parkplatz (rund 1800 m) zu erreichen. Ab dann geht es anfangs durch lichten Lärchenwald, dann über grüne Almmatten und schließlich über Geröll und einen harmlosen Gletscher, sechs Stunden lang der Sonne ausgesetzt, zur Hütte hoch. Die Sanitäranlagen der kleinen Hütte sind sehr übersichtlich. Sie umfassen einen Freiluft-Steintrog als Waschbecken mit fließend Wasser, sofern die Sonne auf die Leitung scheint, sowie zwei Plumpsklos mit Gletscherblick. Wenn man den Dent Blanche macht, wird man im ersten Stock untergebracht – einem typischen dunklen Bergsteigerlager mit Wolldecken.
Am nächsten Morgen ist um 4:00 Uhr die Nacht vorbei. Nachdem man die Hütte verlassen hat, geht es auch gleich zur Sache: Einmal um die Hütte gelaufen fängt steiles Schrofengelände an, wenig später wird es felsig und man nimmt die Hände aus der Hosentasche, noch mal etwas später hat man irgendwie nur noch Fels direkt vor sich, links und rechts aber nur noch schwarze Nacht. Wie wir später beim Rückweg sehen werden, haben wir hier morgens in der ersten halben Stunde ein ganz schön ausgesetztes Grätchen in der Dunkelheit erklettert – ohne Seil.
- Wandfluegrat – Blick zum ersten Gendarmen
Danach geht es wieder leichter über den Gletscherbuckel der Wandflue weiter und abwechselnd über Eis und Fels zum eigentlichen Beginn des Südgrats. Hier muss man sich dann entscheiden, ob man den Südgrat direkt macht (Stellen bis IV) oder wie wir die Normalroute. Hierzu quert man etwas nach links in ein seichtes Couloir, das den ersten großen Gendarm umgeht. Bei uns war es aper, so dass wir zügig über guten Fels in drei Seillängen wieder den Grat erreichen. Danach umklettert man den zweiten Gendarm rechts und den letzten Gendarm wieder links, alles meist im guten Fels. An den schwierigen Stellen (bis ca. III) sind vereinzelt Sicherungstangen oder auch mal ein Bohrhaken angebracht. Danach wird der Grat wieder leichter.
Die letzten Höhenmeter führen im schrofigen Gehgelände – der häufig beschriebene Schneegrat hat sich wohl mit der Nordwand zum Mittelmeer aufgemacht – zum Gipfel. Der Gipfel ist überraschend geräumig und hat ein Gipfelkreuz, das mit einem echten Hanfseil verziert ist. Aufgrund der freien Lage des Dent Blanche ist die Sicht umfas¬send: Walliser und Berner Alpen sowie Montblanc.
- Abseilen am Grat
Der Abstieg dauert, obwohl wir hier wie beim Aufstieg meist gleichzeitig am kurzen Seil gehen und nur wenige Male abseilen, nicht viel kürzer als der Aufstieg. Kurz nach Mittag sind wir aber wieder bei der Hütte.
- Die wohlverdiente Stärkung nach der Tour
Wir beschließen noch eine Nacht auf der Hütte zu bleiben und schlafen nun, als Talabsteiger, gemüt¬lich im hellen zweiten Stock mit Daunendecken. Der Abstieg am nächsten Tag zieht sich nochmal. Schließlich nimmt aber auch dieser Abstieg ein Ende und wir können in Evolène im Biergarten bei Kaffee und Kuchen gemütlich die Tour ausklingen lassen.
Tourinfos
Höhe: 4356 m
Lage: Süd-östlicher Teil des Zermatter Viertausender-Hufeisens
Anfahrt: Vom Rhônetal ab Sion ins Val d’Hérens und weiter bis in die letzte Ortschaft Ferpècle
Tour: Ferpècle (ca. 1800 m) – Dent Blanche-Hütte (3507 m) ca. 6 Stunden; Dent Blanche-Hütte (3507 m) – Dent Blanche (4356 m) ca. 4 Stunden; Dent Blanche (4356 m) – Dent Blanche-Hütte (3507 m) ca. 4 Stunden
Schwierigkeit: Wandfluegrat insgesamt AD; Stellen im Fels bis max. III; im Hochsommer hauptsächlich felstechnische Schwierigkeiten, insbesondere das seichte Couloir kann allerdings ein reines Schneecouloir sein; Abstieg wie Aufstieg, wenige Abseilstellen
Charakter: Klassischer Fels-Viertausender im Wallis; weniger frequentiert wie die meisten Zermatter Klassiker
Literatur: Michael Waeber: Gebietsführer „Walliser Alpen“ erschienen im Bergverlag Rother (München); Daniel Silbernagel, Stefan Wullschleger: „Hochtouren Topoführer, Walliser Alpen“ erschienen im topo.verlag (Basel)
Alle Angaben ohne Gewähr.
Text: Stefan Mertens
Bilder: Stefan Mertens und Bernd Hetzel